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Stark bleiben, ohne sich zu verlieren: Wer stark sein will, muss schwach sein dürfen

  • Autorenbild: Nina Müller-Peltzer
    Nina Müller-Peltzer
  • 30. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Wie du in schwierigen Zeiten stark bleibst, ohne dich zu verlieren

 

Du bist jemand, der alles im Griff hat, der Lösungen findet, auch wenn es eng wird. Und du bist stolz darauf, weil du weißt, was du schon alles geschafft hast und was du alles schaffen kannst.

 

Doch dann gibt es diese Momente, da geht nichts mehr. Der Druck scheint untragbar, du fühlst dich zu schwach, dagegen zu halten. Aber dagegenhalten, weitermachen, das ist, was du kannst, was du immer getan hast, was du kennst. Also was tun?

 

Warum du stark bist und warum dich das erschöpft

 

Ein junger Mensch steht alleine und niedergeschlagen in einem leeren Flur
Hilfe annehmen heißt, sich fallen lassen. Aber was wenn einen niemand auffängt?

Du bist stark, weil du es schon immer warst. Wahrscheinlich, weil du es musstest oder zumindest dachtest, du müsstest es. Du hast schon früh gelernt, dich auf dich selbst zu verlassen. Vielleicht, weil es niemanden gab, der dich wirklich aufgefangen hat. Weil Eltern, Partner oder Freunde mit sich selbst beschäftigt waren. Weil dein Umfeld nicht bieten konnte, was du früh gebraucht hättest: Schutz, Hilfe, Unterstützung. Also hast du selbst dafür gesorgt, dich um dich zu kümmern. Aus deiner Stärke wurde dein Schutzschild.


Du hast dich daran gewöhnt, alles selbst zu regeln, Hilfe fühlt sich für dich nicht wie Unterstützung an. Wenn du in dich hineinhörst, merkst du, dass Hilfe für dich eher wie eine Bedrohung klingt. Warum das so ist? Weil Hilfe anzunehmen für dich bedeuten würde, loslassen zu müssen. Und das triggert bei dir alte Erfahrungen: Wer loslässt, fällt. Und wer fällt, wird nicht aufgefangen.


Eine junge Frau blickt mutig und sorgenvoll in die Kamera
Allein gegen den Rest der Welt. Aber muss es so sein?

Für dich heißt das heute, dass du dich nur noch auf dich verlassen kannst. Du nimmst die Dinge am liebsten selbst in die Hand, denn dann weißt du, dass es auch richtig gemacht wird.


Das macht dich zu einem außergewöhnlich leistungsstarken Menschen. Wo andere jammern, ziehst du durch. Dich scheint nichts umzuhauen, und wenn doch, machst du die Tür zu und die Sache mit dir alleine aus. Doch das zerrt. Du hast viel auf dem Tisch, du trägst viel Verantwortung, du jonglierst viele Aufgaben.


Zwei Herausforderungen machen dir dabei das Leben schwer:


  1. Du löst alles alleine. So ist das Leben aber nicht ausgelegt. Normalerweise hat jeder ein Supportsystem, das einen von frühster Kindheit an unterstützt, hilft, zur Seite steht. Denn das Leben ist voller Herausforderungen und wir Menschen sind nicht dafür beschaffen, diese alleine zu bewältigen. Wir sind Herdentiere, wir lebten in Stämmen, wir haben Familien und Freunde, einen Generationenvertrag, wir sind empathisch und wollen einander helfen. Das klingt jetzt erstmal komisch, aber vielleicht auch gleich nicht mehr, wenn du diese Fragen ehrlich beantwortest:

 

  • Was machst du, wenn jemand aus deinem persönlichen Umfeld Schwierigkeiten hat?

  • Hilfst du oder überlässt du dein Gegenüber seinem Schicksal und wendest dich ab?

  • Was fühlt sich für dich richtig an? Unterstützung oder Schulterzucken?

  • Was würdest du eher deiner besten Freundin/deinem besten Freund sagen: „Was kann ich tun“ oder „Musst du alleine mit klarkommen“?


Natürlich hilfst du anderen. Denn du bist ja stark. Du weißt, dass andere Menschen Unterstützung brauchen und du diese geben kannst. Wenn dem so ist, wie beantwortest du dann folgende Fragen?


  • Warum gilt für andere, was für dich nicht gilt?

  • Wieso ist es selbstverständlich, anderen zu helfen, aber nicht geholfen zu bekommen?

  • Wovor hast du Angst? Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn du um Hilfe bittest?


Für dich geht das Gefühl, stark sein zu müssen, wahrscheinlich meist Hand in Hand mit dem Wunsch nach Kontrolle. Kontrolle über etwas zu haben, gibt uns das Gefühl, die Situation im Griff zu haben, sie steuern zu können.


Doch hier lauert schon die zweite Herausforderung:


  1. Kontrolle als Stärkeersatz. Wir wollen Kontrolle über die Dinge und Situationen, denn Kontrolle vermittelt uns das Gefühl von Sicherheit, Halt, Ordnung. Doch bei Licht betrachtet haben wir nur sehr selten wirklich Kontrolle, oder volle Kontrolle über die Dinge oder Situationen. Oft entwickelt sich alles ganz anders, als wir es geplant oder angenommen hatten. Ganz nach dem berühmten Zitat von Allen Saunders: „Das Leben passiert, während wir andere Pläne gemacht haben.“


Was Kontrolle oder der Drang nach Kontrolle hingegen viel zuverlässiger erzeugt ist Isolation. Wir isolieren uns von anderen, wenn wir glauben, wir könnten unser Umfeld kontrollieren. Unsere Gegenüber nehmen das auch nicht als Stärke auf, sie erkennen die Schwäche, die Kontrolle triggered.


Stark bleiben ohne sich zu verlieren kann nur, wer Schwäche zulässt


Die Schwäche, nicht akzeptieren zu wollen, dass es Dinge gibt, die nicht in unseren Händen liegen. Stark ist dagegen, wer realisiert, wann es gut ist, auf Kontrolle zu verzichten, Aufgaben aufzuteilen, Verantwortung abzugeben, die eigenen Kräfte einzuteilen, anzuerkennen, wenn es alleine nicht geht – diese Schritte helfen, den Druck auf die Situation zu reduzieren, neue Kraft zu schöpfen und gestärkt weiterzumachen. Du gewinnst also wieder an Kraft und Stärke, nicht in dem du krampfhaft daran festhältst, sondern bewusst loslässt. Paradox, oder?


Stark bleiben ohne sich zu verlieren ist übrigens kein Dauerzustand, sondern ein Zustand ständiger Bewegung, ähnlich wie ein Kreislauf:


Stark bleiben bedeutet:


…soweit zu gehen, wie ich kann,

zu wissen, wann ich Hilfe brauche,

zu wissen, wo ich sie finde,

zu wissen, wem ich vertraue,

abgeben zu können, wenn es sein muss,

Kraft zu tanken und mich neu auszurichten, während andere übernehmen,

mit neugewonnener Stärke wieder durchzustarten,

soweit zu gehen, wie ich kann…


Stark zu sein heißt, sich gut durch schwierige Zeiten zu navigieren, weil du weißt, wo es eine Insel, einen sicheren Hafen, ein Netz gibt, das dich auffängt, wenn du loslässt.


Manchmal ist es leichter, Dinge auszusprechen, wenn niemand aus dem eigenen Umfeld zuhört. Wenn kein Urteil, keine Erwartungen, keine Rollen mitschwingen.


Wenn du das Gefühl hast, dir selbst gerade nicht die Unterstützung geben zu können, die du brauchst, kann ein vertrauliches Gespräch helfen, neue Klarheit zu gewinnen.


Ich begleite Menschen dabei, achtsamer mit ihren Kräften umzugehen, ihre innere Stärke wiederzufinden und Verantwortung mit Vertrauen in Balance zu bringen. Wenn du magst, können wir in einem unverbindlichen Erstgespräch gemeinsam schauen, was dir im Moment guttut und wie du dich künftig leichter durch herausfordernde Zeiten navigieren kannst.



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