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Selbstgespräche als Selbstfürsorge

  • Autorenbild: Nina Müller-Peltzer
    Nina Müller-Peltzer
  • 17. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Neulich wurde ich beim Wäschezusammenlegen von meiner Tochter dabei ertappt, wie ich mit mir selbst redete. Dazu muss man wissen. Ich brabbele nicht leise vor mich hin, wenn ich mit mir selber rede. Ich halte Vorträge. Ich coache. Ich diskutiere. Und ich habe aufgehört, mich dafür für bescheuert zu halten. Dennoch war es mir sehr unangenehm, als sie plötzlich ihren Kopf durch die Zimmertür schob, mich irritiert ansah und, leise "weird" murmelnd, wieder verschwand.


Selbstgespräche: Im Dialog mit dem Ich


Eine junge Frau sitzt vor ihrem Sofa auf dem Boden und führt Selbstgespräche
Selbstgespräche helfen, Gedanken zu sortieren. Im richtigen Gespräch sitzt dann jedes Wort.

Ich erzählte meiner besten Freundin davon. Ihr vertraue ich alles an, deshalb hatte ich auch keine Hemmungen, sie zu fragen, wie sie es mit Selbstgesprächen hielt.


"Oh, ich halte ganze Reden", sagt sie. "Ich streite mich auch mit meinem Ex-Mann oder meiner Schwester - sehr elaboriert und wortgewandt. Ich gewinne jede Diskussion, leider hören sie sie nur nie."



Hm. Jetzt war ich doch neugierig. Bislang hielt ich meine Angewohntheit mit mir ausführlich ins Selbstgespräch zu gehen, für eine kleine Absonderheit meinerseits gesehen, eine mir liebgewonnene Angewohnheit, die man aber lieber für sich behalten sollte. Aber scheinbar war ich nicht die einzige, die dieses Hobby im heimlichen fröhnte. Abends dann fragte ich meinen Mann und siehe da "Wenn ich am nächsten Tag ein schwieriges Kunden- oder Mitarbeitergespräch führen muss, übe ich das ausführlich. Mich beruhigt das ungemein. Ich hab dann einfach das Gefühl, mich vorbereitet zu haben und am kommenden Tag habe ich schon Formulierungen parat und suche nicht nach Worten."


Selbstgespräche als Selbstfürsorge: Sortieren der Gedanken


Aha. Also scheinbar bin ich nicht allein. Ich frage weiter und mehr und mehr Menschen in meinem Umfeld erzählen von ihren Selbstgesprächen. Die rangieren von verstohlen vor sich hin murmeln bis hin zu theaterartigen Ausführungen. Ein Freund erzählt mir, dass er sich gerne in Interviewsituationen sieht und dann auf englisch (!) über seine Befindlichkeiten erzählt. Oft spricht er sich so bedrückende Situationen von der Seele, danach fühlt er sich wie gereinigt.


Ein tieferer Blick in das Gespräch mit dem Selbst zeigt tatsächlich, so räumen wir in unserem Inneren auf! Ähnlich wie Journaling oder Tagebuch schreiben zwingt das Selbstgespräch uns, unsere Gedanken einmal klar zu formulieren. Dabei merken wir, was uns eigentlich beschäftigt. Einmal ausgesprochen, hören wir uns selbst sagen, woran wir gerade knabbern. Wir bringen die Sache für uns auf den Punkt. Und gewinnen dadurch Klarheit. Von hier aus fällt es uns oft viel leichter, den nächsten Schritt zu gehen. Sei es, am nächsten Tag ein schwieriges Kundengespräch zu führen, einen Konflikt mit der Freundin anzusprechen, oder dem Partner zu sagen, was einen schon länger stört.


Selbstgespräche als Selbstfürsorge sind also in diesem Fall nichts anderes als ein verbales Sortieren unserer Gedanken und Gefühle. Gleichzeitig sprechen wir aus, was uns beschäftigt und lassen es so schon ein bisschen los. Die Dinge beim Namen zu nennen, befreit ungemein. Versuch es einmal selbst. Vielleicht hast du einen Menschen in deinem Umfeld, mit dem du etwas kniffliges besprechen musst oder eine wichtige Verhandlung mit deinem Chef. Dann nutze den geschlossenen Raum deines Zimmers oder deiner Wohnung und brabbele drauf los. Du wirst merken, schon bald erfährst du wahre Aha-Momente und echte Erkenntnisse, was dir wirklich wichtig ist. In der eigentlichen Situation weißt du dann auch genau, was du sagen willst und kannst deinem Thema den nötigen Raum verschaffen. Viel Erfolg!


Wichtig:

Selbstgespräche und die Grenze zu psychischen Erkrankungen

Es gibt jedoch auch Selbstgespräche, die sich von den eben beschriebenen, gesundheitsförderlichen Monologen unterscheiden und tatsächlich ein Hinweis auf eine geistige Erkrankung oder Psychose sein können. Diese Art von Selbstgesprächen ist in der Regel intensiver und kann mit Halluzinationen oder Wahnvorstellungen einhergehen. Menschen, die unter psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder bestimmten Formen der Depression leiden, können Stimmen hören oder mit imaginären Personen sprechen, die nicht existieren. Diese Stimmen und Gespräche sind nicht das, was wir als gesunde, reflektierende Selbstgespräche bezeichnen. Sie können befehlen, kommentieren oder sogar eine Person bedrohen, was für den Betroffenen äußerst real erscheinen kann und mitunter sehr belastend ist.


Der entscheidende Unterschied zwischen diesen und den harmlosen, normalen Selbstgesprächen, die wir alle führen, liegt in der Wahrnehmung der Realität. Bei gesunden Selbstgesprächen ist sich die Person bewusst, dass sie mit sich selbst spricht und dass diese Gedanken keine äußere, objektive Realität widerspiegeln. Diese Gespräche dienen der Selbstorganisation und Problembewältigung. Bei psychischen Erkrankungen hingegen verschwimmen die Grenzen zwischen realen und eingebildeten Erlebnissen. Die betroffenen Personen haben Schwierigkeiten, zwischen innerem Dialog und äußeren Wahrnehmungen zu unterscheiden.


Es ist wichtig zu betonen, dass Selbstgespräche in einem gesunden Kontext weder ein Indiz für eine psychische Erkrankung noch eine Gefahr für das Wohlbefinden sind. Sie sind eine ganz normale und sogar nützliche Methode der Selbstreflexion. Wenn jedoch die Selbstgespräche von den hier beschriebenen gesunden Dialogen abweichen und eine Person den Eindruck hat, von „Stimmen“ oder „Gefühlen“ kontrolliert zu werden, die stark von der Realität abweichen, ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Umgang mit solchen Veränderungen im Denken erfordert in der Regel Unterstützung durch Fachleute, um eine genaue Diagnose und geeignete Behandlung zu gewährleisten.


Wenn du davon betroffen bist, findest du auf meiner FAQ-Seite zahlreiche Adressen und Kontakte, die dir professionelle Unterstützung geben können. Als Coach darf ich dich bei schweren psychischen Erkrankungen nicht therapieren, aber ich helfe dir gern, die richtigen Anlaufstellen zu finden, wenn du dabei Unterstützung wünscht - das mache ich natürlich unbezahlt und kostenfrei.




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